Cornelius Claudio Kreusch – Eye of the Storm

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Beschreibung

Cornelius Claudio Kreusch – piano

Die große Schriftstellerin Gertrude Stein hat einmal gesagt: „Jazz ist Zärtlichkeit und mächtige Gewalt.” Eine Definition, die den Pianisten Cornelius Claudio Kreusch schon zu Beginn seiner Karriere geprägt hat – und die jetzt auch wieder perfekt auf sein neues Album „Eye of the Storm“ zutrifft. Wobei die Improvisation als Urgrund dieser starken Ausdrucksformen unbedingt dazu gehört. Das beginnt schon bei der Vorgeschichte der Aufnahme: Kreusch hatte beim Münchner Gasteig angefragt, ob er in der Philharmonie Videos für sein voriges Album „Transformer“ drehen könnte, bevor der Saal auf lange Zeit für die Renovierung geschlossen würde. Er bekam einen Tag zugestanden, doch als man für das Shooting aufbaute, kam ihm eine persönliche Sternstunde in den Sinn, die er dort vor Jahren erlebt hatte: ein Keith-Jarrett-Konzert. Und so beschloss er spontan, jetzt selbst dort zu auf dem Flügel zu improvisieren und aufzunehmen.

Für viele Jazzpianisten ist eine solche Album-füllende Solo-Improvisation die Königsdisziplin, an die sie sich über die Arbeit mit anderen Musikern erst lange herantasten müssen. Für Cornelius Claudio Kreusch ist es der Ausgangspunkt all seiner künstlerischen Unternehmungen. Schon sein Debütalbum „Talking To A Goblin“ aus dem Jahr 1991 war eine Solo-Improvisation. Und beim Studium am Berklee College of Music erhielt er für genau diese hohe Kunst zwei Mal in Folge den Berklee Performance Award.

Der Sprung ins Ungewisse, die Herausforderung durch den Moment ist gewissermaßen die Grundlage für all seine vielfältigen Unternehmungen, die ihn zu einem international renommierten Klavierkünstler gemacht haben. Für seine diversen Band-Ausflüge, ob mit „Black Mud Sound“ in die Weltmusik, mit dem die Jazz-Charts erobernden „Scoop“ in den Funk, mit „Féfé“ und „Mandala“ in die afrokaribische Klangwelt, mit „Life Is Beautiful“ in den Pop oder mit „Two Worlds One“ in die Klassik. Aber auch für seine meist gemeinsam mit seinem Bruder, dem klassischen Gitarristen Johannes Tonio Kreusch, angegangene Arbeit hinter den Kulissen, ob als Produzent, als Festivalleiter oder als Entrepreneur seiner Internet-Verlage MJM und „KreuschBros.“ Immer wieder kam er auf diesen Urgrund seiner Musik, auf die einsame Herausforderung zur Inspiration zurück. Schon im Jahr 2000 mit dem für den Grammy nominierten Album „Live! At Steinway Hall/New York“, später mit „Dolomites“ und „Heart & Soul“, zuletzt mit dem von Thomas Mann inspirierten „Zauberberg“ und mit „Transformer“.

Und doch ist „Eye of the Storm“ jetzt etwas ganz Anderes, Neues. Nicht nur, weil es in Gegensatz zur früher oft wohlvorbereiteten Konfrontation mit der Freiheit wirklich ein spontaner Sprung ins kalte Wasser war. Sondern vor allem, weil „ich das erste Mal das Gefühl hatte, als Künstler erwachsen zu sein,“ wie Kreusch erzählt. „Bisher waren die großen Vorgänger und Vorbilder stets eine Inspirationsquelle. Diesmal war ich vom ersten Ton an ganz bei mir. Und plötzlich hatte ich eine Vision. Ich stellte mir vor, wie meine Idole nacheinander in den Saal hereinkommen und sich setzen: Geri Allen kam herein, Kenny Kirkland, Herbie Hancock, Fats Waller, auch Keith Jarrett natürlich. Es kamen herein Ahmad Jamal, Martial Solal, Gonzalo Rubalcaba, Jaki Byard. Und diesmal hörten sie mir zu. Damit schloss sich bei mir ein Kreis: Ich weiß jetzt, wofür ich da bin.“

Eine Reife und Eigenständigkeit, die man dem Album anhört. Alles ist Ausdruck der schillernden Persönlichkeit des ebenso extrovertierten und spirituellen wie andererseits geerdeten und konsequenten Cornelius Claudio Kreusch. So wild es beim musikalischen Gedankensturm werden kann, so dominant ist doch ein fast klassischer, ins innere Lauschen vertiefter Unterton. Und so sehr jede Note, jeder Akkord, jeder Change, jeder Anschlag unverkennbar Kreusch ist, so sehr gelingt es ihm gleichzeitig, jedem Improvisationsteil eine eigene Note zu geben. Die nachträglich passend gefundenen Titel wie „Bring Me The Night“, „Thunder In The Sky“, „Truth Speakers Corner“, „Blues Für Bobby“ (womit Bobby Watson gemeint ist), „Crystal Balls“ oder „Celestial Heavens“ veranschaulichen die Reise von Modern-Jazz-Passagen zum Blues, zu Melancholisch-Balladiösem oder Sphärischem bis hin zum rasenden Strom und zur Hymne.

Um den auf dem Album eingefangenen Augenblick mit dem zusammenzubringen, was ihn derzeit auf der längeren Zeitlinie beschäftigt, beschloss Kreusch, seinen Improvisationen noch einen Rahmen, eine Struktur zu geben. So beginnt die CD noch vor dem „Take Off“ in der Philharmonie mit dem Titelsong, auch eine Improvisation, aber fast ein Song, damit am zugänglichsten und emotionalsten. Und es schließt mit dem ausschließlich auf abgedämpften und somit verfremdeten Flügel gespielten „Hip Hop Piano“, einem fröhlichen, in die Zukunft weisenden Nachschlag auf den schwelgenden „Epilogue“ in der Philharmonie. Und in der Mitte des Albums sorgt als Gast Gilson de Assis mit seiner Berimbao für eine kurze Atempause, für ein Inneholen vor dem nächsten Gedankenstreich. Noch ein „Eye of the Storm“ gewissermaßen.

So ist Cornelius Claudio Kreuschs neues Werk ein kraftvolles Dokument einer außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeit in voller Blüte. Es lässt einen in Jazz im ureigensten Sinne eintauchen: In den Geist einer Musik aus dem Moment für den Moment. In den kreativen Prozess, in dem sich die Zeit aufhebt. In dem das Universum sich mit perfekter Harmonie und das Leben mit Klang, Licht und unbedingter Bedeutung erfüllt. In dem man sich im Auge des Sturms befindet.

http://www.corneliusclaudiokreusch.com