Isabelle Bodenseh – Flowing Mind

Release: 03.02.2023

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Beschreibung

Isabelle Bodenseh – flutes
Thomas Bauser – Hammond organ
Lorenzo Petrocca – guitar •
Lars Binder – Drums
Hilde Singer-Biedermann – violin (Radio Bonus Track 9) •
Ruth Sarrazin – Cello (Radio Bonus Track 9) •

Die Verbindung aus Flöte und Orgeltrio ist erfrischend unverbraucht und reizvoll, besonders, wenn sie mit so viel Einfallsreichtum daherkommt wie bei Isabelle Bodenseh, Thomas Bauser, Lorenzo Petrocca und Lars Binder, die schon 2018 mit dem Album „Mrs. Bo’s Cookbook“ aufhorchen ließen. Nicht nur, dass die Vier unablässig swingen und sich gegenseitig durch gewitzte und inspirierende Eigenkompositionen herausfordern, sie bilden sogar eine groovende organische Einheit, die für diese Instrumentenkombination geradezu mustergültig ist. Querflöte und Hammondorgel führten lange im Jazz ein Schattendasein und rückten nahezu zeitgleich Mitte der 50er Jahre ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Aufstieg der Orgel war kometenhaft: das Modeinstrument des Soul Jazz der 60er Jahre erschien schon zwanzig Jahre später nur noch als Vorläufer des Synthesizers, seine alternden Stars als letzte Dinosaurier; dann aber kam ihr Comeback.

Die Flöte blieb als Ur-Instrument der Menschheit hingegen konstant beliebt und ihre Geschichte ist weniger durch Hochs und Tiefs geprägt. Trotzdem sind auch ihre berühmtesten Jazzvertreter jene, die in den 60er und 70 Jahren aktiv waren. Bei allen Parallelen verliefen die Wege von Flöte und Orgel weitgehend auf getrennten Pfaden. Natürlich gibt es genug Aufnahmen von Roland Kirk, Jerome Richardson, Herbie Mann, Hubert Laws und anderen Flötenstars mit Orgel, doch der bevorzugte Gast eines Organ Trios in der klassischen Besetzung Hammond, Gitarre, Schlagzeug war seit je das Tenorsaxophon.

Das liegt wohl daran, dass man von Flötisten relaxtes, säuselndes Spiel erwartete und entsprechend geboten bekam. Isabelle jedoch zeigt mit Temperament und Power ihres oft siedend hotten Spiels auf der Flöte, dass nicht an das Klischee gebunden ist, wer auch anders kann! Selten erreichten Flöte-Orgel-Paarungen seither eine so verblüffende Homogenität und feinabgestimmte Spielkultur wie wir sie auf diesem Album bewundern können. Das zeigt sich schon im Eröffner „ConFluting“. Um dieses Uptempo-Stück auf der Bassflöte anzubringen, ohne dass die Frequenzen geschluckt würden, musste das Quartett „klassisch-dynamisch und kammermusikalisch spielen“, erklärt Isabelle: „Von meiner Seite aus kann Musik in vielen Momenten nicht leise genug sein. Da hat die Klassik mit den vornotierten und sehr differenzierten Dynamikangaben klare Vorteile!“

Der Titel bezieht sich darauf, dass sie in Zeiten der Pandemie alles „extremly confusing“ empfand und entstand nach einer Schreibblockade. Kaum zu glauben, dass ein so unangenehmes Gefühl eine so bestimmte Musik wie „ConFluting“ inspirieren kann. Stets sind die Vier sehr konzentriert, tief versunken, im Fluss. Womit wir beim Titelthema sind: „Flowing Mind“. Als Fünfjährige entdeckte Isabelle das „silberne Instrument mit dem fließenden Sound“, das zu ihrem „ständigen Lebensbegleiter“ wurde.

Das Corona-Vakuum – Spielentzug und Existenzgefährdung in einem – hatte ihr „den Atem verschlagen, der die absolute Basis und Quelle meines Querflötenspiels ist“.

Im Juli 2021 fuhr sie „endlich mal wieder zu einem ‚richtigen‘ Auftritt. Ich stieg ins Auto ein, machte die Autotür zu und die Welt blieb draußen. Zeit mit mir selbst. Stille. Auszeit. Während der Fahrt hörte ich das beruhigende Rauschen der Straße, blickte in immer neue Landschaften und erste Gedanken stiegen in mir auf. Ich freute mich vorsichtig auf den Veranstaltungsort, das Publikum und auf die Musik. Das positive Adrenalin bewirkte, dass sich seit langem wieder ein Feuerwerk verheißungsvoller Ideen entzündete, ein innerlicher Damm brach und ich endlich besser atmen konnte. Ich tauchte ein in die musikalische Welt fließender Gedanken. So entstand die Komposition Flowing Mind, die für mich zum Titelsong des neuen Albums wurde.“

Es ist der Soundtrack ihres Lebens. Und ein Beleg, welcher Zauber dem Lebenselixier Musik innewohnt, das den Menschen gleichsam in einen feinstofflichen Kokon einhüllt und ihn durch krisengeschüttelte Zeiten trägt.

Der „flowing mind“ spielt auch im Musiker- und Familienleben der Mutter einer schwerstbehinderten Tochter eine große Rolle: „Ich bin und wir sind als Familie gelebte Improvisation! Die dafür nötige Eigenständigkeit, Flexibilität und Toleranz für neue Wege außerhalb des Mainstreams hält alles beruflich und privat immer am Fließen, nichts ist in Stein gemeißelt. Insbesondere der Jazz, aber auch Musik im Allgemeinen und jede Kunstform, sind ein unendlicher Quell an Inspiration für das ganze Leben.“

Auch Kompositionen verändern sich oft wie heranwachsende Kinder. Ursprünglich war „Sans Moi“ als Solostück für einen Oboisten konzipiert, ein Stück, bei dem sie selbst nicht mitspielen wollte, dann nahm die Nummer im Lauf der Zeit eine immer tiefere Bedeutung an, denn es verstarb ein Ensemble-Mitglied und wünschte sich „Sans Moi“ als seine „letzte Melodie“ zur Beerdigung. Welch Zartheit liegt in dieser Aufnahme! Wie behutsam spielt Lorenzo diese Melodie, Lars trommelt als ginge er auf Eierschalen, Thomas webt den feinsten Stoff. Und Isabelle berührt schlicht das Herz!

„Ich finde es bereichernd, einem Musiker über sein improvisiertes Solo direkt in die Seele blicken zu können“, hat sie einmal gesagt.

Als „freie Weltmusikerin mit einem universellen Musikverständnis ohne Barrieren“ sieht sich die Halbfranzösin. Ohne ihre klassischen Flötenfinessen ad acta zu legen, hat Isabelle ihre Klangfarbenpalette und ihren stilistischen Radius stetig erweitert.

Prägend war ihre Zeit in Kuba, wo sie afrokubanische Musik studierte. Seither ist sie eine Meisterin im Latin-Idiom, wie nicht nur ihr Stück „ASAP“ zeigt. Die von Jazz-Flötisten einst in sehr lauter Umgebung entwickelten „hotten“ Techniken wie Überblasen, gleichzeitiges Hineinsingen oder rhythmische Klappengeräusche hat sie perfektioniert und persönlich erweitert.

Vieles davon hört man auf „Chilli Challi“ oder „Dog Rose“, Lars‘ Impressionen aus Juist, wo sie einiges von der wilden Natur der Nordseeinsel in ihrem „Gebläse“ hat. Dieses „organ trio“ weiß, wie man auf Sparflamme kocht. Da wird der Espresso besser, sprich Isabelles ausgeschlafene Vollblutflöte ausgelassener.

Ein „soul brother“ ist Lorenzo Petrocca, dessen Wärme und Tiefe sich in seinem Spiel offenbart und mit dem sie vor drei Jahren das Duo-Album „Essenza“ (GLM EC 587-2) eingespielt hat. Er stammt aus der Pythagoras-Stadt Crotone, der er seinen „Mediterranean Bossa“ gewidmet hat.

Thomas Bauser ist als Solist und Begleiter ein hellhöriger Kommunikator (man höre, wie er in „Molecular Cooking“ Lorenzos Gedanken nahtlos weiterspinnt), der stets die Essenz eines Stückes erfasst und dem das organistentypische „Overplay“ fremd ist.

Einen Schlagzeuger wie Lars Binder, der mühelos nicht nur Melodie-, sondern auch Akkordinstrument ersetzt (man beachte die Passagen, wo er im Duo mit Isabelle spielt) muss man erst einmal finden.

Isabelles Kompositionen nachzupfeifen oder mitzusummen ist alles andere als kinderleicht. Man wird feststellen, dass sie trotz ihrer einprägsamen Melodik ungewöhnliche Wendungen im melodischen Verlauf oder unerwartete Harmoniewechsel, eben „changes“ aufweisen.

Ganz so wie im richtigen Leben – ein „flowing mind“ weiß damit umzugehen.