Wawau Adler

Bis in die Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts kam jeder wesentliche neue Jazzstil aus seinem Mutterland USA – bis auf einen einzigen, der von europäischen Musikern als europäische Spielart des Jazz erfunden wurde: Der Manouche Jazz, auch Gypsy Swing oder Sinti Swing genannt, wie ihn Django Reinhardt mit seinem Hot Club de France in den Dreißigerjahren erfunden und kultiviert hatte. Die Gitarre, die im amerikanischen Jazz lange keine Rolle spielte, stand und steht hier im Mittelpunkt. Und wie der Genre-Name schon andeutet, waren und sind es Musiker aus der Volksgruppe der Sinti und Roma, die Reinhardts so virtuosen, mitreißenden und zeitlosen Stil pflegten und weiterführten, bis heute.

Zu den herausragenden Nachfahren Reinhardts gehört seit langem der 1967 in Karlsruhe geborene Josef „Wawau“ Adler. Bereits mit neun Jahren entdeckte er die Gitarre für sich, mit zwölf Jahren intensivierte er unter dem Eindruck von Biréli Lagrène seine Bemühungen und bereits mit 13 gab er seine ersten Konzerte. Als Twen wandte er sich auch dem Bebop und dem Fusion-Jazz zu, sodass er heute zu den wenigen Sinti-Gitarristen gehört, die Modern Jazz genauso virtuos beherrschen wie Gipsy Swing. Doch nach einer Pause Anfang der neuen Jahrtausends kehrte Adler allerdings wieder zu den Wurzeln seiner Musik zurück. Heute nun, da Django Reinhardt am 23. Januar 2020 seinen 110. Geburtstag gefeiert hätte, setzt ihm Adler zu diesem idealen Anlass erneut ein musikalisches Denkmal, das denn auch „Happy Birthday Django 110“ heißt.

„Da Django Reinhardt mit seinem ‚Quintette du Hot Club de France‘ mich und zahllose andere Musiker auf der ganzen Welt sehr stark geprägt hat, war es naheliegend, das Album auch genau so klingen zu lassen“, sagt Wawau Adler. Deswegen hielt man sich schon bei der Produktion an den Originalsound der alten Aufnahmen: Adler spielt eine originale Selmer Gitarre Nr. 828, die wie Djangos Gitarre Nr. 503 aus den 40er Jahren stammt. Und aufgenommen wurde mit nur zwei weltweit einzigartigen und sehr wertvollen Mikrophonen, die den in dieser Zeit verwendeten Originalen nachempfunden sind. Weitere Aufnahmetechnik wurde, wie schon damals, nicht verwendet. Zum Respekt für das großen Vorbild gehört auf der anderen Seite auch, seine Vorstellung von Jazz als individuellen Ausdruck ernst zu nehmen: „Natürlich sollten die Soli nicht einfach nur kopiert werden,“ betont Adler, „Django wurde deshalb während der Vorbereitungen und bei den Aufnahmen im Studio mein ständiger Begleiter im Geiste. Immer wieder aufs Neue stellte ich mir die Frage: Wie hätte er es wohl gemacht? Welche Töne, welche Licks hätte er gespielt? Was hätte laut, sanft, dynamisch, liebevoll oder auch melancholisch oder gar traurig geklungen? Eine Herausforderung, denn dies passiert in der improvisierten Musik genau zum Zeitpunkt der Entstehung.“