David Weiss, Danino Weiss & Martin Weiss – Smile

Release: 06.10.2023
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Beschreibung

Martin Weiss – violin
David Weiss – accordion
Danino Weiss – piano & keyboards
Alexander Haas – bass
Xaver Hellmaier – drums
Biboul Draouiche – percussion on Track 2,4,8,9

„Smile“ heißt das neue Album von Martin Weiss und dem David und Danino Weiss Quartett. Und mit dem gleichnamigen Song, der berühmtesten Komposition von Charlie Chaplin, beginnt es auch. Eine Wahl, die in mehrfacher Hinsicht perfekt den Charakter des Albums beschreibt. Einmal, weil das später von Nat King Cole berühmt gemachte, heute als Jazz- und Pop-Standard von zahllosen Interpreten gespielte Stück aus dem Jahr 1936 stammt. Der Zeit, in der Django Reinhardt den in der klassischen Ära des Jazz einzigen originär europäischen Stil erfunden hat: den Gypsy Swing, auch Jazz Manouche oder Hot Jazz genannt. Dann, weil „Smile“ mit seiner hochemotionalen Mischung aus Melancholie und Trost genau zur Ambivalenz des Gypsy Swing passt. Und schließlich, weil das Stück aus dem Film „Moderne Zeiten“ stammt, der genau die Schnittstelle zwischen Tradition und Aufbruch thematisiert, um die es jetzt Martin, David und Danino Weiß musikalisch auch geht.

Denn der Hot Jazz ist vermutlich der Jazz-Stil, in dem es am traditionellsten und familiärsten zugeht. Mit „Sinti-Swing“ gibt es einen weiteren Namen für ihn, der noch klarer macht, wer bis heute Djangos Erbe pflegt und weiterführt: Die in ganz Europa lebenden Sinti-Familien. Die Reinhardts selbst, die Wintersteins, die Schmitts, die Adlers oder die Rosenbergs tradieren nach wie vor die Musik ihrer Väter, mitunter immer noch ohne Noten, als Autodidakten und Intuitivmusiker. Eine der größten und produktivsten Sinti-Swing-Familien ist die Weiss-Familie. Zahlreiche herausragende Hot-Jazz-Musiker entstammen ihr, am bekanntesten sind wohl die Gitarristen Häns’che und Traubeli Weiss.

Nachfahren von beiden haben sich jetzt für „Smile“ zusammengetan. Der 1961 geborene Martin Weiss ist der Neffe von Häns’che. Bereits mit 17 Jahren feierte er in dessen Quartett erste internationale Erfolge, heute gilt er als einer der herausragenden Jazzgeiger Europas. Er spielte mit namhaften Jazzgrößen und –institutionen wie Oscar Peterson, Biréli Lagrène, der WDR-Bigband oder Joe Pass.

Traubeli Weiss wiederum war der Onkel des 1992 geborene David. Er wie sein ein Jahr jüngerer Cousin Danino lernten bei ihm die Grundlagen. Schlugen dann aber wie viele junge Sinti-Musiker der neuen Generation eigene Wege ein. Scho- bei der Wahl der Instrumente: Sie wählten nicht die klassischen Gypsy-Swing-Instrumente Gitarre oder Geige, sondern Akkordeon und Klavier. Was von vorneherein den Sound des Django-Reinhardt-Kosmos verändert und ihn um andere Jazzstile erweitert. Man höre nur, wie Danino Weiss bei „Whispering“ – dem 1920 vom Paul Whiteman Orchestra veröffentlichten ersten „Millionen-Seller“ der Musikgeschichte – die Hot-Jazz-Geigen-Melodieführung von Martin Weiss mit Bebop-Akkorden begleitet und in seinem Solo an Erroll Garner erinnert.

Für den immer respektvollen, aber zeitgemäßen Umgang mit der Tradition sorgt auch die Rhythmusgruppe von Davids und Daninos Quartett. Der Bassist Alexander Haas hat zwar 20 Jahre lang bei Traubeli Weiss gespielt, ist aber ein echter Allrounder, der vom Soul bei Ecco Di Lorenzo und dem Blues eines Christian Willisohn über Musicals, Musikkabarettistischem wie dem Duo Unsere Lieblinge und Südosteuropäischem wie der Konnexion Balkon bis zum modernen Streichquartett und Neuer Volksmusik wie der Hochzeitskapelle alles begleitet, wofür man einen Tieftöner braucht. Auch der Schlagzeuger Xaver Hellmeier gehört zu den gefragtesten Jazzdrummern seiner Generation. Seit dem Studium in München, Wien und New York hat er mit zahllosen Größen des klassischen Jazz wie John Marshall, Vincent Herring oder Peter Bernstein gespielt und ist auch mit seinem eigenen Quintett ein gern gesehener Gast in allen Jazzclubs. Bei vier Stücken ist dann auch noch der aus Kamerun stammende Perkussionist Biboul Darouiche mit von der Partie, ein Pionier des Global Jazz, der mit seiner Band Soleil Bantu seit vielen Jahren Afrobeat mit Jazz verbindet.

Nicht ohne Grund hieß also das Vorgängeralbum des David und Danino Weiss Quartetts „The New Gypsy Sound“. Die Fusion der Manouche-Tradition mit neuen Melodien und Grooves bestimmt nun auch „Smile“. Vom lässigen Swing des Charles-Trenet-Klassikers „I Wish You Love“ oder dem schmachtenden Bert-Kaempfert-Hit „Lonely Is A Name“ über eine verspielte „June Night“ bis zum finalen „Our Day Will Come“ (ursprünglich eine R’n’B-Nummer) – alles führt zwar in den Hot Jazz, was David und Danino auch betonen: „Natürlich kommen wir am Ende immer wieder zu der Musik zurück, die Django und unser Onkel gespielt hat.“ Doch jeder Musiker darf seine eigene Note einbringen. Was sich bei Martin Weiss schon mal nach der moderneren Jazzgeige eines Didier Lockwood anhört; bei David in die aktuellen Akkordeon-Sounds geht; und bei Daninos Klavierspiel viel Bop- und Modern-Jazz-Anteile importiert.

Auch Latin-Rhythmik, ein weiteres großes Steckenpferd von David und Danino Weiss, kommt auf „Smile“ ins Spiel. Sanft gleitet Vinícius de Moraes‘ „Voce E Eu“  dahin. Und richtig heiß wird es bei „Tristeza“, dem von Astrud Gilberto berühmt gemachten Song von Luiz Bonfá, der hier so gar nicht traurig klingt, sondern mitreißend und aufputschend. Mit einem Schuss Balkan schmecken die Weissens diese gelungene Mischung schließlich ab, mit dem ungarisch angehauchten „Gyönyörű Mirkor A Majus“.

Blindes Verständnis prägt das Zusammenspiel dieser fünf Asse. Nahtlos fließen die virtuosen Soli ineinander, immer sorgen besondere Einfälle – vor allem bei Daninos perlendem Klavierspiel – für Spannung und Überraschung. Und halten das Album in der für den Gypsy Swing so typischen Waage zwischen Sentiment und Überschwang. So hinterlässt „Smile“ beim Hörer am Ende mit Sicherheit ein Lächeln. Wenn auch vielleicht mit einem Tränchen im Knopfloch.