Gismo Graf Trio – A Trio’s Decade

Description

Gismo Graf guitar
Joschi Graf rhythm guitar
Joel Locher bass

Cheyenne Graf vocals

Andere bekommen zur Volljährigkeit ihren Führerschein überreicht, der Gitarrist Gismo Graf bekam zu dem Anlass eine Band, die seinen Namen trägt: Am 1. Oktober 2010, seinem 18. Geburtstag, fand beim Gitarrenfestival in Wehr das erste Konzert des Gismo Graf Trios statt. Nicht dass Graf da nicht schon reichlich Erfahrung gesammelt hätte: Mit sechs lernte das Gitarrenspiel, unter Anleitung seines Vaters Joschi, selbst ein exzellenter, renommierter Gypsy-Gitarrist und Mitbegründer des Zigeli Winter Quintetts. Mit zwölf hatte Gismo dann die ersten öffentlichen Auftritte in der Band seines Vaters, mit 16 kam die erste eigene Band 16 Gypsy Strings. Schon mit der machte sich Gismo einen Namen als zukünftiger Star-Gitarrist des Gypsy Swing, als einer, der den Gypsy Jazz in ein neues Gewand kleiden und so in die heutige Zeit transportieren kann – nur folgerichtig also, dass dieser Name dann im Bandnamen stehen durfte.

Liest man das Datum des ersten Auftritts genau, sieht man, dass die Band heuer ins zehnte Jahr ihres Bestehens geht. Grund genug, diese Zeit Revue passieren zu lassen, in der sich das Gismo Graf Trio einen festen Platz in der Gypsy-Jazz-Szene und Graf selbst einen Spitzenrang unter den Sinti-Gitarristen in der Tradition Django Reinhardts erspielt hat: Mit dem Album „A Trio’s Decade“ – bereits das fünfte der Band – wird dieses Jubiläum nicht nur gefeiert, es präsentiert auch den eigenen, modernen Stil, den Graf in dieser Zeit entwickelt hat, und wirft ein Schlaglicht auf das, was noch alles kommen könnte. Denn der immer noch erst 28-jährige Stuttgarter hat sich längst vom klassischen Hot-Jazz-Kanon emanzipiert und geht innerhalb des Genres seinen eigenen zeitgemäßen Weg.

Das macht schon das erste Stück von „A Trio’s Decade“ eindrucksvoll klar: In „Skizzo“ rahmt er einen schnellen Blues wie aus dem Gypsy-Swing-Lexikon überraschend in eine heitere, nach einem sommerlichen italienischen Canzone klingende Melodie ein. Ebenso ungewöhnlich sind die drei Variationen, in denen er seinen „Stockholm Weekend Waltz“ fast wie für den Wiener Opernball wirbeln lässt. Beim Titelstück wiederum, der letzten seiner drei Eigenkompositionen, lässt Graf aufscheinen, wie es wohl geklungen hätte, wenn Django Reinhardt auch moderne Bebop-Linien und die eine oder andere R’n’B-Harmonie in sein Spiel eingebaut hätte. Ohnehin kommt Graf natürlich nicht ganz am von allen Gypsy-Musikern als Stammvater und Begründer der europäischen Jazztradition verehrten Django vorbei: Zwei Reinhardt-Stücke finden sich auch auf „A Trio’s Decade“: das entspannte „Mabel“, bei dem Graf allerdings auch die Bläserstimmen des Originals mit übernimmt, und eine hier deutlich beschleunigte und dynamisierte, die stupende Virtuosität Grafs endgültig bestätigende Version von „You Rascal You“.

Beim Stichwort Virtuosität kommen automatisch Gismos Begleiter ins Spiel. An der unbestechlich die Pace vorgebenden Rhythmus-Gitarre glänzt wie eh und je sein Vater Joschi; gemeinsam hat man das Album auch wieder produziert. Und am Kontrabass steht mit dem 37-jährigen Deutsch-Schweizer Joel Locher ein sowohl klassisch – bei Ulrich Lau an der Musikhochschule Stuttgart und als Solokontrabassist im Stuttgarter Jugendkammerorchester – wie im Jazz ausgebildeter Ausnahmekönner. Locher ist zwar seit langem ein gefragter Spezialist für Gypsy Swing und spielt außer im Gismo Graf Trio auch bei anderen Django-Reinhardt-Erben wie Sandro Roy, Frank Kuruc oder Wawau Adler –  bei letzterem schon seit Beginn des Jahrtausends, soeben ist ebenfalls bei GLM ihr neues Album „Happy Birthday Django 110“ erschienen. Doch gehört er zu den Hot-Jazz-Vertretern, die auch offen für modernen Jazz, für Soul oder Pop sind. So ist er unter anderem auch Begleiter der Modern-Jazz-Pianistin Olivia Trummer oder von Pee Wee Ellis und Peter Fessler bei deren Funka Nova-Projekt.

Ein idealer Partner also für Gismo Graf, reicht doch auch dessen musikalischer Horizont sehr weit, wie schon seine Auswahl der „Cover-Songs“ für „A Trio’s Decade“ beweist. Wenn man sie denn so nennen will, klingt doch schon Chopins Fantaisie Impromptu op.66 bei Graf, als wäre es immer schon ein Gypsy-Swing-Stück gewesen, egal ob er bei seiner Interpretation atemberaubendes Uptempo oder, nach einem Stopp, lässig-entspannten Balladenton vorführt. Umso überraschender ist dann Michael Jacksons „Liberian Girl“ als coole, stark an George Benson erinnernde Groove-Nummer – für solche mitreißenden Eskapaden tauscht Graf seine vom italienischen Gitarrenbauer Mauro Fresci für den Django-Sound maßgeschneiderte akustische gegen eine semi-akustische Archtop-Signature-Gitarre von Rèmi Petiteau. George Gershwins „A Foggy Day In London Town“ schließlich bekommt nicht nur einen fantastischen Gitarren-Swing verpasst, Graf singt diesen Song auch selbst in mitreißender Crooner-Manier.

Apropos Gesang: Gismos drei Jahre jüngere Schwester Cheyenne begleitet das Trio wieder einmal auf drei Songs und sorgt mit ihrer einprägsamen Stimme für eine weitere Farbe auf dem so bunten Album. Wie sehr auch sie sich entwickelt hat, zeigt schon ihre rau-zerbrechliche Interpretation von Richard Rogers All-Time-Standard „My Funny Valentine“, spätestens aber die eigenwillige, von vibrierendem Sprechgesang bis zu hellen Spitzen ausbrechende Version von Amy Winehouse’s „You Sent Me Flying“. Auch beim letzten Stück darf sie sich mitverabschieden und das Album mit Gino Paolis Ohrwurm von 1961 „Senza Fine“ bittersüß ausklingen lassen. Passenderweise, denn einerseits wünscht man sich als Hörer, das Album möge „ohne Ende“ weitergehen; andererseits darf man sich zum Glück sicher sein, dass das Trio noch lange nicht Schluss macht und der ersten Dekade weitere aufregende und ergiebige folgen lässt. Mit seinem durch Jazz-, Folk- und Pop-Elemente verjüngten Gypsy Swing.

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