Johannes Tonio Kreusch – Portraits of Cuba

Beschreibung

Johannes Tonio Kreusch – Gitarre
Nan-Maro Babakhanian – mezzo-soprano
The Griffin String Quartet

Die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft; der Beweis, dass Musik die universale Sprache des globalisierten Zeitalters ist, mit der sich die ganze Welt umarmen und ausdrücken lässt, ohne die eigene Herkunft verleugnen zu müssen; die Offenbarung, dass kubanische Musik viel mehr ist als wir es vom „Buena Vista Social Club“ her kennen: All das ist „Portraits of Cuba“. Das Album des Gitarristen Johannes Tonio Kreusch, auf dem die Stücke aus den späten Neunzigerjahren auf CD versammelt sind, die der kubanische Komponist Tulio Peramo für ihn geschrieben hat. In den remasterten Originalaufnahmen der Uraufführungen.

Die Suche nach dem Ursprung dieses famosen, wieder einmal wegweisenden Kreusch-Albums führt zurück ins Jahr 1994. Damals lernten sich Johannes Tonio Kreusch und Tulio Peramo beim Gitarrenfestival in Havanna kennen. Zwei, die mehr zu besprechen hatten als musikalische Petitessen: Der damals 24-jährige Kreusch hatte zunächst Philosophie studiert, bis ihn die Schönheit von Bach-Adaptionen für Gitarre gänzlich vereinnahmte und ihn ins Studium an das Salzburger Mozarteum und an die New Yorker Juilliard School führte. In dieser Zeit hatte er gerade seine Debüt-CD veröffentlicht: „Ginastera – Bach – Brouwer“, schon dies ein Dreiklang von Themen, die ihn bis heute beschäftigen. Repräsentiert Alberto Ginastera doch Kreuschs Faible für die iberoamerikanische Gitarrentradition, Bach sein klassisches Fundament, und Leo Brouwer seine Liebe zur kubanischen Musik.

Tulio Peramo wiederum war mit 46 Jahren fast doppelt so alt und hatte bereits eine radikale künstlerische Neuausrichtung hinter sich. Angefangen hatte er als klassischer Sänger im Opernfach. Mit 26 war er enttäuscht vom wenig ums Wesen der Musik bemühte Treiben dieses Metiers, dass er der Oper den Rücken kehrte: „Ich fand mich an einem ‚point of no return‘, hatte alles verloren, aber fühlte immer noch dieses tiefe Verlangen nach einem neuen Leben für die Musik“, berichtete er später. Dieses neue Leben fand er im Komponieren. Schon 1987 gewann er für ein Stück den Preis der Cuban League of Artists and Writers, und just 1994 die Agustín Barrios Competition for original pieces for guitar in Paraguay.

Dass Tulio Peramo heute als einer der größten Komponisten Kubas gilt, hat auch mit diesem folgenreichen Zusammentreffen im Jahre 1994 zu tun, und mit den Stücken, die daraus entstanden und auf „Portraits of Cuba“ versammelt sind. Das Album hebt an mit dem fünfteiligen Liedzyklus „Aires De La Tierra“, komponiert 1998. Er ist das Ergebnis von Kreuschs anhaltenden Überredungen, Peramo solle doch seine beiden musikalischen Seelen, das Singen und das Komponieren, wieder zusammenzubringen. Ursprünglich vom festen Vorsatz durchdrungen, nie wieder zur Gesangswelt zurückzukehren, erlag Peramo hier zum Glück dem Drängen. Sind die von Kreusch mit der Mezzo-Sopranistin Nan-Maro Babhakanian 1999 in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführten und aufgenommenen fünf Lieder doch bezaubernd schön und breiten wie alle Kompositionen Peramos das ganze musikalische Erbe seiner Heimat aus.

Wozu neben den Formen wie Clave, Rumba, Bolero, Son oder Changuí eben auch die unterschiedlichsten fremden Einflüsse gehören: afrikanische Rhythmik, spanische Folklore, verwandte Formen der anderen karibischen Inseln, der Blues und Jazz aus den USA und nicht zuletzt die mitteleuropäische, vor allem die französische Klassik, wie sie sich schon in den frühen kubanische Stilen Habanera und Danzon niederschlug. All das findet sich bei Peramo als Palette, aus der er auf ganz eigene Weise seine musikalischen Bilder Kubas zusammensetzt. Wie die „Tres Imágenes Cubanas“ eben, die erste Komposition Peramos für Kreusch aus dem Jahr 1996, uraufgeführt ein Jahr später im Rahmen des Internationalen Gitarrenfestivals in Havanna. Und hier festgehalten in der während einer USA-Tour 1999 aufgeführten Fassung mit dem großartigen Griffin String Quartet. Der erste Satz „Mosso Ritmico“ erinnert nicht von ungefähr an Debussys „Golliwoggs Cake Walk“, freilich in karibischem Gewand und versetzt mit einem Schuss Gershwin. Zugleich ist er eine Hommage an Alejandro Garcia Caturla, dem berühmtesten Vertreter des Afrokubismus der Zwanziger- und Dreißigerjahre, und seine „Obertura Cubana“. Rondo, Sonaten- oder Liedform – die Einflüsse der europäischen Klassik sind dann in den anderen Teilen ebenso präsent wie afrikanische „Conga“ oder kubanische „Guajira“.

Die emotionalste und tiefgründigste Komposition Peramos für Kreusch ist wohl „En Tardes De Lluvia“, übersetzt: „An regnerischen Abenden“. Die fünfteilige Suite für Solo-Gitarre atmet die langen Gespräche und gemeinsamen Erlebnisse während des Kuba-Aufenthalts von Kreusch im Mai 1999 und des gemeinsamen Besuchs des Metropolitan Museum of Art während des ersten New York-Aufenthalts von Peramo wenig später, aus denen sich dieser Kompositionsauftrag ergab. Wie die das Album abschließende Geburtstagsminiatur „Canto De Septiembre“ ist sie ein Meisterwerk des impressionistischen Ausdrucks mit den Möglichkeiten der Gitarre: poetisch und meditativ, aber auch spannungsgeladen und mitreißend.

„Es bleibt für mich ein Wunder, wie jemand die Seele der Gitarre so raffiniert erfassen kann, ohne das Instrument selbst zu spielen,“ sagt Johannes Tonio Kreusch. Auf „Portraits of Cuba“ bringt er dieses Wunder für alle zum Leben.

Weitere Alben von Johannes Tonio Kreusch: https://www.glm.de/kuenstler/johannes-tonio-kreusch/