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KURZ NACHGEFRAGT: Heute bei Stefanie Boltz

♪  Dein neues Album Midwinter Tales erscheint am 29.11.2019. Wir hören ein Album von Stefanie Boltz, für die ruhige Zeit. Kann man es als Weihnachtsalbum bezeichnen?

♫ Die sogenannte „ruhige Zeit“ ist natürlich alles andere als ruhig. Der Dezember ist vielleicht sogar die hektischste, an Terminen, Erwartungen und Konsumverhalten vollste Zeit des Jahres.

Wir werden als Konsumenten mit Angeboten bombardiert, natürlich auch mit vielen unerträglichen, auch musikalischen Klischees. Kaum einer hat noch die Chance, die ruhige Qualität dieser Zeit zu erspüren. Ein großer Widerspruch. Neben der ruhigen Qualität, (und im christlichen Kontext natürlich die Geburt Jesu) prägt diese Zeit die große Wende von den dunkelsten Tagen und längsten Nächten hin zur Wiederkehr des Lichtes.

Die größte Rückzugsenergie und Stille liegt in den Raunächten zwischen den Jahren. Die starken Naturkräfte die zu dieser Zeit am Wirken sind, haben mich immer schon beeindruckt und ich habe immer versucht, ihnen Raum zu geben. Ich habe in diesen Tagen im Übrigen sogar meinen Sohn geboren.

Das Album Midwinter Tales ist all diesen Themen gewidmet. Ausgehend von der Wintersonnenwende machen die Geschichten musikalisch und textlich einen breiten Fächer auf. In Stille und Kontemplation, wie bei Midwinter, und in deren bedrückender Wirkung, wie in The Sound of Silence, in das Sehnen, dafür steht Sehnsucht, in die vermeintlich narkotische Erlösung durch den Winterschlaf, Narkose, in Geschichten von Liebe, die den Winter nicht überlebt oder dort beginnt, Im Schnee verbrennen, April Skies), so wie meiner erste eigene Liebesgeschichte als Teenager kurz vor Weihnachten begann.

Menschen handeln und fühlen zu dieser Zeit anders als im Sommer, sie schreiben andere Drehbücher und Geschichten, und Briefe, Christmas Card from a Hooker in Minneapolis.

So ist Midwinter Tales kein Weihnachtsalbum, es ist inspiriert vom Winter und der Wintersonnenwende, darf aber gern zu Weihnachten verschenkt und das ganze Jahr gehört werden.

Ich wollte im Dezember immer mit einem Programm auf Konzertbühnen stehen, das ich selber gern höre, und das mich mit dem Publikum in diese Zeit nimmt, ohne Klischees zu bedienen.

 

♪ Welcher Song ist für Dich das Highlight des Albums?

♫ Der vielfältige Reigen musikalisch, textlich und sprachlich hat mich bei den Midwinter Tales gereizt. Das Schöne ist ja an einem Album, das man eine Dramaturgie gestalten darf, von Anfang bis Ende. Klar ist das im digitalen Zeitalter von streaming mittlerweile verwaschen, macht für mich aber immer noch den Sinn aus, überhaupt Alben zu machen. Und ich glaube es gibt auch noch genug Hörer, die das auch interessiert.

Alle Songs haben ihre Geschichte und mich durch die verschiedenen Besetzungen/Instrumentierungen und Sprachen jeweils unterschiedlich gefordert.

Die Arbeit mit der Cellistin Fany Kammerlander schwebte beispielsweise mir schon lange vor, und nun haben wir es endlich umgesetzt. Die Farbe des Cellos war eine große Bereicherung, wir haben kammermusikalische Elemente entwickelt wie bei Spuren, oder die filigranen Pattern gemeinsam mit Martin Kursawe an der Gitarre bei Sehnsucht. Diese beiden Stücke bewegen mich auf eine besondere Art.

Auf der anderen Seite hat es unheimlich Spaß gemacht, den Ausbruch aus der bedrückenden Stille, von der Paul Simon bei The Sound of Silence schreibt, im Quartett mit meinem Schlagzeuger Tilman Herpichböhm auszugestalten.

Eines meiner Lieblingsstücke ist schon vor der Entstehung des Albums immer die Tom Waits – Story Christmas Card from a Hooker in Minneapolis gewesen. Das Lügenkonstrukt einer Gefängnis-Insassin in Weihnachtskartenform ist einfach unfassbar bewegend, und musikalisch rundet das Gitarrensolo von Paulo Morello das Stück in unserer Version für meinen Geschmack so richtig ab.

 

♪ Wir hören sowohl englischsprachige Songs aus eigener Feder aber auch Songs mit deutschen, von Dir geschriebenen Texten. Was macht für Dich den Unterschied aus?

♫ Natürlich einen sehr großen. Eigentlich stellt man sich fast ein Bein, die Sprachen zu mischen, so anders ist der Gestus, und das, was es mit meinem Ausdruck als Interpretin macht, und somit der Wirkung des Songs.

Aber wie so oft habe ich Ungeplantes willkommen geheißen, und versucht, nicht mit konzeptioneller, kopfiger Zensur zu beschneiden, was sich da auf den Weg machte.

Unsere Konzepte und Kategorien sind ja meist zu eng gesteckt. Jedes Stück wollte eben in genau der jeweiligen Sprache und Instrumentierung, als Original oder als Fremdkomposition aufs Album.

Mit dem Englischen verbinden mich unzählige Erfahrungswerte von Konzerten, Proben, Studioproduktionen der letzten 25 Jahre. Mit dem Englischen bin ich quasi musikalisch sozialisiert. Selber Songs zu schrieben hat sich mit den Jahren entwickelt, und das in deutscher Sprache zu tun, ist nun eine neue Facette zu arbeiten.

Das Deutsche hat für mich fast etwas absurd jungfräuliches, auch wenn es meine Muttersprache ist. Es ist sehr ehrlich und zeigt mir sofort, wenn ich mich abseits eines authentischen Weges bewege.

 

Weitere Informationen über die Künstlerin gibt es hier bei GLM Music: https://www.glm.de/produkt/stefanie-boltz-midwinter-tales/

Die Musik zum reinhören gibt es hier: https://smarturl.it/boltzmidwintertales

Hier gehts zu den aktuellen Tourdaten: https://stefanieboltzdates.tumblr.com/